berthold passt immer

Gabriel Coburger
Gabriel Coburger - Quintet Jean Paul

Quintet Jean Paul

 

Wow, da hat einer etwas zu sagen, da will einer etwas los werden. Gabriel Coburger nimmt sein Horn und bläst hinein, entschlossen und sensibel zugleich, erzeugt er Töne von irritierender Wucht, Linien von mitreißender Ausdruckskraft. Sein Ton ist warm und kraftvoll, rau und einschmeichelnd, variabel und persönlich. Mal rührt und bratzt er, dass es eine Freude ist, mal gleitet er elegant durch die melodischen Kurven oder magert den Ton bis auf ein feines Hauchen ab.

Gabriel Coburger, Saxofonist aus Hamburg, Tenor und Sopran, daneben Flöte, das Instrument, auf dem er einst anfing, sich intensiver mit Musik zu befassen. Coburger, Jahrgang 1967,  ist kein ganz Junger mehr, seine Meriten hat er sich längst erspielt: in der New Yorker Szene, wo er zwischen 1993 und 2001 immer wieder zu hause war, in den Bands von John Abercrombie bis Maria Schneider, als Stand-By-Tenorist bei der NDR-Bigband und als Gast in der Band des norwegischen Bigband-Zampano Geir Lysne, und natürlich mit seinen eigenen Bands und Projekten. In Hamburg weiß man, was man an dem dynamischen Saxofonisten hat, der auch als Veranstalter und Sprachrohr der Szene dafür sorgt, die musikalische Ebbe nicht gar zu flach ausfallen zu lassen im Frühjahr wurde Coburger mit dem Hamburger Jazzpreis geehrt. Das Preisgeld hat er gut angelegt: "Quintet Jean-Paul" ist nicht einfach ein weiteres Coburger-Projekt - es ist ein Ensemble von fünf Musikern, die einander seit Jahren gut kennen und in wechselnden Formationen zusammen spielen. Coburger gab den Anstoß, er schreibt die Kompositionen und sein Saxofon erweist sich immer wieder als der Wärmepol des Ensembles.

Im Zentrum dieses Quintetts steht das im Zusammenspiel gewachsene, wechselseitige Verständnis und die Vielfalt der musikalischen Schattierungen, die sie hervorzurufen vermögen. Ein besonderes Timbre bekommt diese Musik durch Kenny Norris instrumentalen Einsatz seiner samtigen Baritonstimme. Im Unisono umgarnen sie Coburgers Saxofonsound zu einem außergewöhnlichen Gesamtklang, doch auch wenn sich die Stimmen von einander lösen, wenn sie sich auf das Abenteuer Improvisation einlassen, lässt sich Norris auf die weiten Spannungsbögen ein, die diese Musik so lebendig machen. Die Stimme steht hier nicht  wie sonst so häufig wie konventionell - vor oder neben der Band, sie ist ihr gleichberechtigter Teil, wie einst der Gesang von Leon Thomas neben dem Saxofon von Pharoah Sanders.

Coburger kennt diese Assoziationen, sie gehören zum Projekt. Um abgerissene Fäden wieder aufzunehmen und neu zu verknüpfen lässt Coburger seine Musik einige Schritte zurücktreten. "Back To Church", der Opener des Albums, ist da durchaus programmatisch gemeint: zurück ins Herz des Jazz, zu einer geradezu sakralen Inbrunst, die mit den 60er-Jahren ausgestorben schien. Das Album beginnt radikal: sehr offen,  nur Coburger und Matthäus Winnitzky am Klavier in nachdenklicher Zwiesprache. Langsam verdichten sie ihr Spiel zu einer Struktur, bis sie die Spannung in einer hymnischen Melodielinie lösen, in der sich der Klang des Saxofons und der Gesang Kenny Norris  in wechselnden Schattierungen umspielen. Schließlich der dringliche Rhythmus, den Derek Scherzer verlässlich am Köcheln hält, während Sven Kerschek mit seinem kernigen E-Bass-Sound dem Ganzen Biss eingräbt. Damit sind die Zutaten benannt, die sich durch dieses Album ziehen, das an der Intensität des Jazz der 60er-Jahre anknüpft, sie mit jüngeren Assoziationen anreichert und auf einen vollkommen gegenwärtigen Stand bringt.


Tschechisch
Deutsche Version English version Version française ???????